03. Chinas Handyhersteller entdecken die ganze Welt - 10.03.2017

Das Brautpaar tanzt, umringt von Engeln, sie drehen sich auf einem trichterförmigen Baum, der aus einem Labyrinth stetig auf und ab fährt. Hinter ihm klappert die Mühle neben einem Schloss, das sich aus einem Disneyfilm hierhin verirrt hat, gleich daneben spuckt ein Tesla-Transformator Blitze in die Luft. Diese obskure Modellbauwelt steht gleich vor dem Stand des chinesischen Telekommunikationsausrüsters ZTE, der rund um die Phantasiewelt seine neuen günstigen Smartphones postiert hat. Die Miniaturdetails sind beliebte Fotomotive für die sich ständig um den Stand drängelnden Besucher auf dem Mobile World Congress, der größten Mobilfunkmesse der Welt, die noch bis Donnerstag in Barcelona stattfindet.

Die Chinesen haben ein Händchen für solche Spielereien, die vor allem für Westeuropäer befremdlich anmuten. Nur gut 400 Meter weiter hat Oppo, ein hierzulande kaum bekannter Hersteller, einen riesigen Stand aufgebaut, der leicht mit den großen Unternehmen wie Samsung, Intel oder IBM mithalten kann. Auch davor: eine Miniaturwelt, nicht ganz so grell und bunt wie bei ZTE, sondern in schlichtem Weiß gehalten. Mit fünffachem Kamerazoom kann der Besucher auch dort die kleinsten Details auf den Krawatten der playmobilartigen Figuren erkennen. Oppo zeigt hier unter anderem ein Smartphone, das eine 16-Megapixel-Kamera extra für die Selfie-Generation eingebaut hat. Und vor allem für den asiatischen Kunden wird gleich ein Modus mitgeliefert, der den Selbstporträtierten schöner machen soll. In sieben Stufen kann man sich vom gestressten Messebesucher zum Ken aus der Barbie-Welt verschlanken lassen.

Braucht das jemand?

Immer mehr offenbar: Oppo hat allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres 26,7 Millionen Smartphones verkauft. Das ist immerhin gut ein Drittel dessen, was Apple im gleichen Zeitraum abgesetzt hat. Huawei kommt sogar auf mehr als 40 Millionen Stück. Vor allem an den Marktanteilsentwicklungen lässt sich die wachsende Dominanz der Chinesen ablesen. Die beiden Marktführer Samsung und Apple mussten im vergangenen Jahr jeweils rückläufige Absatzzahlen hinnehmen. Die Quote von Samsung sank von 22,5 auf 20,5 Prozent, Apples Anteil von 15,9 auf 14,4 Prozent. Ganz anders die Fernostkonkurrenz, sie konnte sich über deutliche Zuwächse freuen. Der Marktanteil der globalen Nummer drei im Smartphone-Geschäft, Huawei, stieg von 7,3 auf 8,9 Prozent. Auf die Nummer vier, Oppo, entfielen im vergangenen Jahr 5,7 Prozent – mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu den 2,8 Prozent des Jahres 2015.

Chinesen kämpfen um den internationalen Markt

Analysten haben eine einfache Erklärung für diese eindeutigen Aufwärtstendenzen. „Die chinesischen Hersteller haben sich bislang auf ihr Heimatland konzentriert“, sagt Gartner-Analyst Anshul Gupta. Nun streben sie mit Macht auf internationale Märkte. Huawei etwa verkauft inzwischen die Hälfte seiner Smartphones im Ausland. Während der Markt mit den teuren Geräten (die schon mal 700 Euro und mehr kosten) rund um die Welt stagniert, fragen Käufer lieber günstigere Geräte nach. Und sie werden von den China-Anbietern bedient. „Die Geräte von Herstellern wie Huawei oder Oppo erscheinen Neukunden attraktiver als die bisherigen Flaggschiffe“, sagt Gupta.

Auch deshalb, weil preiswert längst nicht mehr billig heißen muss. Qualitativ haben die Chinesen aufgeholt. „Mit Blick auf Technologie und Innovation stehen chinesische Unternehmen Industrieführern wie Samsung sehr nahe“, sagt Analystin Kitty Fok von IDC China. Die stark wachsenden Online-Dienste im Reich der Mitte benötigten Geräte mit besserer Performance. „Viele lokale Anbieter haben die Gelegenheit genutzt, um das Kopierer-Image abzuschütteln.“

Etablierte Anbieter fürchten stürmische Zeiten

Zu den eifrigsten in dieser Disziplin zählt Guangdong Oppo. In den Geräten dieses Konzerns gehört eine Schnellladefunktion, eine Kamera, die Fotografieren mit wenig Licht ermöglicht, sowie ein Sechs-Gigabyte-Speicher inzwischen zum Standard. Selbst Topgeräte müssen da in mancher Hinsicht klein beigeben. So sucht der Kunde etwa in einem iPhone vergeblich nach einer Möglichkeit, das Gerät schnell aufzuladen.

Den etablierten Anbietern dürften stürmischere Zeiten bevorstehen, den Kunden gute. Auf dem MWC ist zu beobachten, dass selbst Haier, ein Unternehmen, das man hierzulande vor allem für seine Waschmaschinen, Kühlschränke oder Geschirrspüler kennt, weiter in den Markt für günstige Smartphones drängt. In Barcelona hat der Konzern eigens für den europäischen Markt drei neue Geräte vorgestellt. Am Stand fotografiert ein Engländer im Anzug mit seinem Samsung-Smartphone das vorgestellte Leisure L7. „Für 200 Euro kann man das als Zweithandy ruhig mal testen“, sagt er.

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