02. 5G-Technologie: Strahlen-Dosis für die Menschen wird massiv erhöht - 08.03.2019

Der neue Mobilfunkstandard 5G, dessen Frequenzen im Frühjahr versteigert werden, soll bereits ab dem kommenden Jahr in Deutschland Einzug halten. Die Technologie verspricht eine deutlich schnellere Datenübertragung. Doch 5G nutzt auch Frequenzen, die von den bisherigen Mobilfunknetzen nicht verwendet werden konnten. Zudem sind viel mehr Sendestationen als bisher geplant. Die Folgen der dadurch steigenden Strahlungsbelastung sind bisher kaum erforscht.

Mehr als 200 Wissenschaftler und Ärzte, darunter 29 Deutsche, fordern einen Stopp der 5G-Pläne, weil sie Schäden für die Gesundheit fürchten. Aus demselben Grund hatte das Schweizer Parlament letztes Jahr einen höheren Grenzwert für Sendeanlagen abgelehnt. Wilfried Kühling, Professor für Raum- und Umweltplanung an der Universität Halle-Wittenberg und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, fordert eine Aussetzung der Versteigerung der 5G-Frequenzen.

Die Technik und ihre gesundheitlichen Wirkungen müssten zunächst besser erforscht werden. „Man weiß viel zu wenig darüber, wie sich die Strahlenbelastung für die Bevölkerung unter 5G erhöhen wird“, zitiert ihn die ZEIT. Daher wünscht sich Kühling neben weiterer Forschung auch eine gesellschaftliche Debatte. „Die Menschen denken, sie brauchen 5G. Es wird ihnen suggeriert, dass es das Beste ist, und sie rennen dem Versprechen blind hinterher.“

Die Auswirkungen von Handy-Strahlen auf den Menschen sind vergleichbar mit einer Mikrowelle. Wassermoleküle und andere Teilchen geraten in Schwingung und die entstehende Reibungswärme erhöht die Körpertemperatur. In Tierexperimenten haben Forscher einen gestörten Stoffwechsel, Verhaltensänderungen und Fehler in der Embryonalentwicklung beobachtet, wenn sich das Gewebe dauerhaft um mehr als einen Grad Celsius erwärmte. Die Grenzwerte für Mobilfunk-Basisstationen sollen solche Auswirkungen ausschließen. Demnach darf sich der Körper selbst bei einer Ganzkörperbestrahlung nur um etwa 0,02 Grad erwärmen und beim Telefonieren mit dem Handy am Ohr lokal nur um 0,2 Grad.

Sarah Drießen vom Forschungszentrum für elektromagnetische Umweltverträglichkeit an der RWTH Aachen leitet das EMF-Portal, wo Experten seit 2005 alle wissenschaftlichen Studien zur Wirkung elektromagnetischer Felder auf den Menschen sammeln und für Laien verständlich kommentieren. Zwar sagt die Biologin im Hinblick auf die Entstehung von Krebs, dass die elektromagnetische Strahlung im Mobilfunk nicht genug Energie besitzt, um DNA-Brüche hervorzurufen. Allerdings würden einige Studien zeigen, in denen etwa Ratten starken elektromagnetischen Feldern ausgesetzt wurden, dass Mobilfunkfrequenzen Tumore auf indirektem Weg verursachen könnten. „Als ein möglicher Wirkmechanismus werden oxidativer Stress und freie Radikale diskutiert, die dem Erbgut schaden“, sagt Drießen. Zwar seien viele Arbeiten zu oxidativem Stress nicht gut gemacht, aber es gebe durchaus Hinweise. Sarah Drießen vermisst den politischen Willen, diesen Hinweisen systematisch nachzugehen. Um zu beantworten, ob speziell von 5G eine Bedrohung ausgeht, muss man untersuchen, was den neuen Standard eigentlichj von den aktuellen Netzen unterscheidet.

Neben den neuen Frequenzen bringt 5G auch intelligente Antennensysteme mit sich. Beim Beamforming etwa werden die Mobilfunkstrahlen gezielt dorthin gelenkt, wo sie gerade gebraucht werden, etwa zu jemandem, der über sein Handy eine TV-Serie streamt. „So ein begrenzter Strahl kann von Vorteil sein, weil die Personen links und rechts weniger Strahlung abbekommen“, zitiert die ZEIT Christian Bornkessel, einen Experten für Hochfrequenztechnik an der TU Ilmenau. Doch durch das Beamforming können sich Stärke und Richtung der Strahlung ständig ändern. „Derzeit forschen wir noch daran, wie man unter diesen Bedingungen die Strahlenexposition von Menschen überhaupt korrekt messen kann“, so der Ingenieur.

Auch zur Auswirkung der deutlich höheren Frequenzen bis zu 60 Gigahertz, die mittelfristig für 5G genutzt sollen, gibt es derzeit kaum Untersuchungen. Zwar wird diese hochfrequente Strahlung wegen ihrer kurzen Wellenlänge schon an der Körperoberfläche absorbiert und dringt nicht in den Körper ein. Doch welche Auswirkungen dies auf Augen, Haut und Schweißdrüsen hat, ist bisher unklar. Auch das Umweltministerium räumt ein, dass für 5G noch Forschungsbedarf besteht, vor allem für Frequenzen oberhalb von 20 Gigahertz. Die Verdichtung des Mobilfunknetzes könne auch bei jenen zu höheren Belastungen führen, die gar nicht selbst telefonieren. „Noch bestehende Unsicherheiten bei der gesundheitlichen Bewertung der neuen Technik wollen wir ausräumen, indem wir den Ausbau wissenschaftlich begleiten“, sagt Dirk Geschwentner vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).

Entscheidend ist seiner Ansicht nach, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Einen Grund für ein Moratorium sieht das Bundesamt nicht. Das wäre wohl auch schwer durchsetzbar, zu stark ist das Interesse von Wirtschaft und Industrie.

Doch auch das Bundesamt für Strahlenschutz räumt ein, dass zur Nutzung zusätzlicher Frequenzbänder im Zenti- und Millimeterwellenlängenbereich bisher nur wenige Untersuchungsergebnisse vorliegen.

Die Präsidentin der Behörde, Inge Paulini, rät den Nutzern in jedem Fall „auf ausreichenden Abstand des Smartphones zum Körper zu achten und beim Telefonieren Freisprecheinrichtungen und Headsets zu nutzen“.

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