09. aetka-Verkaufstipp: Was gute Verkäufer ausmacht (Teil 3) - 13.11.2015

Fortsetzung zu letzter Woche: wir setzen mit der letzten Frage nochmals an:

mm.de: Was treibt gute Verkäufer an?
Pawlik: Machtmotive. Die wollen einen Abschluss machen.

mm.de: Reicht das aus?
Pawlik: Das kommt auf das Unternehmen und das Produkt an. Bei einem Kunden war es von Vorteil, machtmotiviert zu sein, beim anderen stand das Beziehungsmotiv im Vordergrund. Da ist der Vertriebsmitarbeiter eher der Partner vor Ort, dem die Kunden vertrauen und der nach Abschluss eines Vertrages die Probleme der Kunden löst.

mm.de: Denken Sie, das beziehungsmotivierte Mitarbeiter auch deswegen weniger verkaufen, weil sie Übervorteilung als amoralisch empfinden?
Pawlik: Nein. Ich glaube, die Frage der Moral ist nur ein Alibi. Entweder man steht hinter einem Produkt, oder nicht. Wenn man ein Produkt nicht aus Überzeugung verkauft, sollte man es lassen.

mm.de: Außendienstmitarbeiter, die ihren Kunden Produkte verkaufen, die diese nicht brauchen, sind keine gute Werbung für ein Unternehmen.
Pawlik: Gute Verkäufer werden so etwas nicht tun. Denn schon bei einer mittelfristigen Planung ist ein solches Verkaufsverhalten unclever und dumm. Gute Vertriebsmitarbeiter wissen, dass ein kurzfristiges Reinverkaufen sinnlos ist. Denn spätestens, wenn sich dieser Mitarbeiter ein zweites Mal beim Kunden meldet, wird dieser sich von ihm abwenden. Das kann keiner wollen.

mm.de: Trotzdem gibt es Verkäufer, die so handeln.
Pawlik: Da muss man unterscheiden. Eine große Staubsaugermarke zum Beispiel arbeitet vor allem über den Haustürverkauf. Da fangen die Vertriebsmitarbeiter im 15. Stock an, weil es bei Misserfolg einfacher ist, die Treppen runter zu gehen. Diese Vertriebsmitarbeiter machen einen Abschluss, und dann sehen sie ihre Kunden nicht wieder.

mm.de: Und der Kunde flucht?
Pawlik: Es gibt Unternehmen, die haben ganze Abteilungen zur Nachbetreuung. Dann bekommt der Kunde nach drei Tagen den berühmten Kaufkater und fragt sich: Was ist denn da passiert? Dann kommt der beziehungsorientierte Pfleger und beschwichtigt, und anschließend ist das Vertrauen wieder da. Für den Vertrieb ist das trotzdem ein Erfolg. Denn das Geschäft ist gemacht.

mm.de: In welche Richtung wird sich Vertriebsarbeit in Zukunft entwickeln?
Pawlik: Das Thema "Produkt, Emotionalität und Kundenbeziehung" ist ja fast schon eine Kulturfrage. Das in die Köpfe von Management und Vertrieb hineinzubringen, ist eine Riesenaufgabe.

mm.de: Sind andere Nationen da weiter?
Pawlik: In Amerika ist der Vertriebsperfektionismus besonders ausgeprägt. Wir haben ein Trainingsprogramm, das heißt "Strategisch verkaufen". Ein zentraler Begriff in diesem Programm ist das Individualmarketing. Da geht es darum, das der Vertrieb einen Jahresplan macht, wie man dem Kunden Wertschätzung entgegenbringt, wie man ihn persönlich betreut. Wir haben diese Programme nach einem einheitlichen Maßstab aufgelegt und weltweit trainiert.

mm.de: Mit welchem Ergebnis?
Pawlik: Das Ergebnis war erschreckend. Im asiatischen Raum, Südeuropa, Südamerika und Amerika hat man mich ausgelacht für die Vorschläge, die der deutsche Vertrieb als zu extrem empfand.

mm.de: Worüber haben die Asiaten und Amerikaner gelacht?
Pawlik: Über das, was ich ihnen beibringen wollte. Das war weit jenseits der Standards, die dort im Vertrieb herrschen. In diesen Ländern ist das Beziehungsmanagement im Vertrieb viel weiter verbreitet und entwickelt als hier zu Lande.

mm.de: Und was hat die Deutschen gestört? Gratifikationen?
Pawlik: Nein, nicht die Gratifikationen. Ich habe zur Vorbereitung ein amerikanisches Buch mit dem Titel gelesen "How to give a gift". Da ging es nur darum, wie man einem Kunden welches Geschenk überreicht. Das Buch hatte 370 Seiten. Auf über 70 Seiten wurde ausgebreitet, welche Worte man in welcher Situation verwenden sollte, ein anderer Teil beschäftigte sich mit der Verpackung, wiederum ein anderer mit dem richtigen Ort. Dieser Bereich ist in Deutschland total unterentwickelt.

mm.de: Ein Beispiel?
Pawlik: Ich habe mal einen Verkäufer trainiert, der war hervorragend. Immer, wenn seine Topkunden in den Urlaub gefahren sind, haben sie einen Reiseführer mit persönlicher Widmung bekommen, in einem besonderen Umfeld übergeben, zum Beispiel in einem Restaurant. Seine Kunden rufen ihn an und sagen: "Hallo, wie geht's? Ich fahre demnächst in den Urlaub." Die Kunden wollten ihren Reiseführer. So pflegt man Kundenkontakte!

mm.de: Woran krankt der Vertrieb in Deutschland?
Pawlik: Wir sind zu rational, zu staubig, wir sind immer sachlich richtig. Wir sind auch intelligent, aber es gibt noch viel zu wenig Menschen, die Vertrieb in den angemessenen Dimensionen begreifen.

mm.de: Es fehlt also an systematischer Kundenpflege?
Pawlik: In manchen Ländern gibt es einen Zwölf-Monats-Plan, da ist jeder Schritt festgelegt. Denn verkaufen beginnt vor dem Verkauf. Das Produkt muss am Anfang nicht zwingend im Vordergrund stehen. Erst mal geht es darum, zum Kunden eine Beziehung aufzubauen, damit der dem Vertrieb vertraut. Deswegen muss man die gesamten Maßnahmen, neben dem Verkauf, für das Jahr planen. Wenn das dem Vertrieb gelingt, dann hat er begriffen, was "Strategisch verkaufen" bedeutet. Da ist das Beziehungsmanagement elementar.

mm.de: Bei all den Beziehungen - welche Rolle spielt der Preis?
Pawlik: Natürlich gibt es Rabattschlachten und Preiskriege in anderen Märkten. Aber das sind keine Beziehungsmärkte, sondern Angebotsmärkte. Die funktionieren nach anderen Gesetzmäßigkeiten. Aber auch da lohnt der Blick über den großen Teich. Die Amerikaner haben beim Verkaufen eine ganz andere Aggressivität - aber auch eine größere Ignoranz.

mm.de: Ignoranz inwiefern?
Pawlik: Ein großer US-Discounter zum Beispiel ist in Deutschland mit seinem Modell fulminant gescheitert. Wenn man hier in Deutschland einen Laden aufmacht, und die Mitarbeiter sollen gemeinsam Lieder singen und machen Gymnastik, dann funktioniert das nicht. Man muss an einer Evolution arbeiten, nicht an einer Revolution.

mm.de: Werden die deutschen Unternehmen von der Konkurrenz überrollt, wenn sie ihre Vertriebsstrukturen nicht ändern?
Pawlik: Wenn ab sofort alle deutschen Unternehmen die Maßnahmen des strategischen Verkaufs beherzigen würden, wäre der Kunde sicherlich irritiert. Der ist es ja nicht gewohnt, dass man ihn hofiert. Wenn statt eines nörgeligen Vertriebsmitarbeiters auf einmal einer kommt, der die Anrede auf dem Briefbogen mit Füller schreibt und an den Geburtstag der Gattin denkt, würde der Kunde denken, der war beim Seminar oder ist auf Droge.

mm.de: Also braucht man Zeit und Geduld?
Pawlik: Richtig. Die Menschen müssen in ganz kleinen Schritten an die Veränderungen herangeführt werden.

mm.de: Wie klein?
Pawlik: Wir haben für einen deutschen Konzern einen Maßnahmenkatalog für den Vertrieb erarbeitet, in dem in 35 Einzelpunkten definiert wird, wie die Mitarbeiter die persönliche Beziehung zu ihren Kunden mit Kleinigkeiten pflegen können.

mm.de: Wann ist die Grenze zur Bestechung überschritten?
Pawlik: Ich persönlich kenne keinen Vertriebsmitarbeiter, der erlebt hat, dass sich ein Kunde bestochen fühlt. Man sollte nicht übertreiben und den Satz beherzigen: Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum. Wenn sich ein Kunde genötigt fühlt, muss man das ernst nehmen und sagen: "Ich habe mich geirrt, tut mir Leid, ich wollte Sie nicht kränken." Ein guter Verkäufer denkt über den Kunden nach und überlegt sich etwas anderes.

Das gesamte Interview können Sie hier nochmal nachlesen:
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