01. Exklusiv-Interview mit Marcus Epple: „Es gibt sehr viel mehr Kompetenz“ - 01.09.2017

Nach Stationen bei Mobilcom, Debitel, E-Plus und O2 arbeitet Marcus Epple seit Februar dieses Jahres bei der Telekom und verantwortet dort den Privatkunden-Vertrieb. Telecom Handel sprach mit dem Manager und befragte ihn nach seinen Plänen für die Zukunft – und inwieweit sich die Telekom von anderen Anbietern unterscheidet.

Telecom Handel: Herr Epple, fühlen Sie sich bereits als ‚Manager in Magenta‘?

Marcus Epple: Nein, noch nicht ganz (lacht). Ich sage immer: Ich bin sehr gut eingetreten, aber wann ich ankomme, weiß ich noch nicht. Dazu ist die Telekom einfach zu groß und prozessorientiert aufgestellt. Aber ich stoße auf eine sehr starke Mannschaft, die mich bestens unterstützt. Was mich dabei sehr begeistert, ist, dass die Mitarbeiter wahnsinnig offen sind und auch andere Impulse suchen. Aber das war ja auch einer der Gründe, warum ich zur Telekom geholt wurde: Es geht darum, neue Impulse zu setzen und bestehende Wege zu hinterfragen und neu auszurichten. Wir wollen nicht weitermachen wie bisher, sondern unter dem Begriff Omnichannel die Vertriebsstärken der einzelnen Kanäle viel stärker nutzen und miteinander verzahnen.


Inwieweit unterscheidet sich die Telekom denn von den anderen Anbietern, bei denen Sie zuvor tätig waren?

Epple: Die Menschen selbst sind in etwa vergleichbar. Jedoch gibt es bei der Telekom sehr viel mehr Kompetenz. Man spürt das hohe Ausbildungsniveau, auch in den Regionen und Vertrieben. Man merkt, dass die Telekom viel in ihre Mitarbeiter investiert hat. Das ist mit Sicherheit auch ein Punkt, warum die Mitarbeiter dem Unternehmen auch deutlich länger treu bleiben. Werkstolz ist demnach sehr ausgeprägt. Die Mitarbeiter sind stolz und begeistert, bei der Telekom zu arbeiten. Und das tragen sie auch nach außen. In der Filialorganisation reden wir von ‚Love Magenta‘. Aber die Magenta-Farbe wird eben nicht nur im Geschäftlichen gelebt, sondern auch mit Stolz ins eigene Privatleben transportiert. Das kenne ich in dieser Form aus anderen Unternehmen nicht.


Wenn Sie sagen, vieles ginge langfristiger vonstatten – bedeutet das dann auch: langsamer?

Epple: Ich würde eher sagen: Die Telekom ist ein Tanker. Man merkt die Größe des Unternehmens und spürt auch dessen historische Entwicklung vom Staatsbetrieb zum Privatbetrieb mit dem Bund als Hauptanteilseigner. Es gibt selten hektische Entscheidungen, aber dafür auch keine Kurzschlusshandlungen. Wenn irgendwas nicht so gut läuft, wird analysiert und dann werden Veränderungen eingeleitet. Doch wenn es schnell gehen muss, dann findet man auch bei der Telekom Wege, etwas zu beschleunigen. Also: Die Telekom ist ein Tanker, aber mit vielen Schnellbooten links und rechts davon.


Für Sie, der zuletzt lange Jahre bei der vergleichsweise agilen E-Plus war, dürfte dies ungewohnt sein …

Epple: Ja, das ist es. Aber die Telekom hat auch einen gigantischen Kundenbestand und einen riesigen Vertriebsapparat, der vor allem eines nicht mag: Überraschungen. Manchmal wird einem aus den Handelskanälen reflektiert, dass wir zu langsam sind. Auf der anderen Seite sind die Vertriebspartner allerdings froh, wenn es auch eine gewisse Kontinuität gibt. Und wir haben einen langen Atem. Denken Sie an Smart Home: Wann hat die Telekom damit angefangen? Das Thema ist immer noch nicht fest im Markt etabliert, aber wir glauben daran und entwickeln es auf hohem Niveau weiter, bis es seinen Platz am Markt findet. Es gibt wenig Unternehmen im Telco-Umfeld, die solch eine Nachhaltigkeit leben.


Sie sind nun in Ihrer neuen Funktion für alle Vertriebskanäle im PK-Geschäft verantwortlich …

Epple: Das sind die eigenen Shops, die Franchise-Partner, die Handelskanäle – also Distribution und Kooperationen – sowie das Online-Geschäft inklusive Telekom.de. Dann gibt es noch den Direktvertrieb, dahinter verbirgt sich die Ranger-Thematik. Es ist also alles von Offline bis Online dabei.


Welche Aufgaben stehen zunächst im Vordergrund?

Epple: Zunächst geht es darum, noch mehr Verständnis füreinander zu schaffen. Da ist derzeit viel People- und Partnermanagement dabei, was sich einfacher anhört, als es ist. Die Kernaufgabe ist, dass die Verantwortlichen in der Zentrale und in den Regionen einen gemeinschaftlichen Blick bekommen. Ein Beispiel: Die Telekom ist ja sehr stark im Highspeed-Ausbau. Wenn wir Ausschreibungen gewinnen, müssen die Partner mitgenommen werden. Hier muss übergreifend gedacht werden: Wo habe ich überhaupt Partner? Wo habe ich Shops? Wo kann ich wen gezielt einsetzen? Wo muss ich den Kundenservice stärker aktivieren, weil ich keinen eigenen Standort habe? Wie ist die Balance zwischen Direktvertrieb und stationärem Geschäft? Wir brauchen nicht nur hier einen ganzheitlichen Blick, sondern auch beim Thema Standortmanagement.


Hat man sich früher gar nicht abgestimmt?

Epple: Die klassische Kanaldenke war schon sehr stark ausgeprägt. Man hat sich zwar nicht bekämpft, war aber Wettbewerber im eigenen Haus. Das ist lange Zeit sehr erfolgreich gelebt worden, die guten Ergebnisse der einzelnen Kanäle haben es auch bestätigt. Nun aber hat man festgestellt, dass das für die Zukunft der falsche Weg ist. Jetzt gilt es, ganzheitlich zu denken, aber dennoch die jeweils eigenen Stärken der Kanäle zu nutzen. Und es geht darum, die stationären Kanäle fit zu machen für die Integration in die digitale Online-Welt.


Was haben Sie schon verändert?

Epple: Bislang vor allem profane Dinge, die darauf ausgerichtet sind, dass es ein gemeinsames Verständnis gibt. Etwa, dass man zusammen ein Reporting anschaut und Transparenz schafft. Oder dass sich die Mitarbeiter in den einzelnen Kanälen nicht nur kennen, sondern auch miteinander sprechen und sich unterstützen. Da bin ich immer wieder überrascht. Ich glaube, ich kenne inzwischen mehr Menschen beim Telekom-Vertrieb als so mancher, der schon lange dabei ist, aber sich sehr auf seinen eigenen Kanal fokussiert.


Was sind denn die nächsten Omnichannel-Projekte, die Sie sich vorgenommen haben?

Epple: Wir haben fünf Kern-User-Cases, die wir jetzt vorantreiben. Zum einen ist das die Online-Terminvereinbarung, die momentan auf die eigenen Shops und Partnershops fokussiert ist. Hier wollen wir als Nächstes die Exklusivpartner in den Handelskanälen mit einbinden. Dann das Thema Click and Collect. Auch hier geht es um die Frage, wie man die Partner integrieren kann. Weiter gibt es das Couponing-Thema, übergreifend off- und online. Und die Telekom-Angebots-Mail: Das ist eine Maßnahme, wenn der Telekom-Kunde beraten wurde, sich aber nicht sofort entscheidet. Hier ist die Hotline beziehungsweise der Shop aufgefordert, diesen Kunden eine Angebots-Mail zu schicken, in der das Besprochene nochmals zusammenfasst wird, verbunden mit der Möglichkeit, direkt online zu bestellen oder einen Termin am PoS zu vereinbaren. Hier geht es also um das Zusammenspiel / die Verknüpfung von Online und Offline. Und als fünften Case haben wir noch den Text-Chat: Wenn man online ist, soll es die Möglichkeit geben, ein beratendes Gespräch per Video-Chat zu führen. Überlegt wird aktuell, ob sich dies auch auf den stationären Vertrieb ausweiten lässt.


Wie sieht es in diesem Zusammenhang denn mit dem Thema Preisharmonisierung aus? Dem Handel sind spezielle Online- und Hotline-Rabatte ja grundsätzlich ein Dorn im Auge …

Epple: Bedeutet Preisharmonisierung, dass ich Sonderpreise im Internet streiche? Oder, was wir eher andenken, dass ich den stationären Kanälen ermögliche, Online-Aktionen ebenfalls anbieten zu können? Dann stellt sich aber gleich die Frage nach der Incentivierung. Es gibt heute noch keine eindeutige Antwort, aber wir werden da sicher einiges ausprobieren. Das ist ein Kernthema, welches auf der Agenda steht.


Und wie steht es um die Retention-Angebote der Hotline, die vom Handel immer wieder kritisiert werden?

Epple: Das ist bei unseren Wettbewerbern nicht anders. Aber wir versuchen eine stärkere Harmonisierung zu erreichen. Wir sind heute deutlich weniger aggressiv unterwegs, als wir es schon einmal waren. Dennoch gilt für jeden Kunden, der gekündigt hat: Wenn er weg ist, ist er weg. Und hier muss der Fokus sein, ihn wieder zurückzugewinnen. Im Handel fahren wir gerade einen Piloten, wie man dabei die Vertriebspartner integrieren kann. Denn deren Anspruch ist ja, dass sie das Retention-Geschäft besser können. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt.


Was ist Ihre abschließende Botschaft an den Handel?

Epple: Wir bieten dem Handel einen kompletten Warenkorb – in der digitalen Vernetzung von sich selbst als Person und seinem Zuhause. Dabei hat er eine hohe Ertragsstrecke bei integrierten Angeboten. Wir unterstützen den Handel gerne bei der Vermarktung und trainieren ihn auf neue und hochwertige Produkte, aber zunächst einmal muss er es auch wollen. Das ist ein Veränderungsprozess, bei dem wir eine klare Erwartungshaltung haben. Die Anforderungen steigen. Der Partner wird mit unseren integrierten Produkten immer ein besseres Verdienstmodell für sich finden, als wenn er nur Einzelteile herauspickt.

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