10. CRN-Interview mit Daniel Kreuzhofer von Microsoft: »Die Demokratisierung der IT« - 16.06.2017

CRN: Was waren hinsichtlich Software-Entwicklung die Highlights auf der Build-Konferenz?

Daniel Kreuzhofer: Zu den wichtigsten Neuheiten auf der Build 2017 gehört sicherlich die Preview von Azure IoT Edge, mit dem wir intelligente Cloud-Funktionen auf autonomen Geräte, sogenannten Edge-Geräte, bringen und damit Intelligenz auch dort möglich machen, wo keine oder schlechte Internetverbindungen vorhanden sind.

Die neue Datenbank Azure Cosmos DB ist besonders für rechenintensive Anwendungen ausgelegt, wie sie bei Lösungen für das Internet der Dinge (IoT) und künstliche Intelligenz (KI) notwendig sind. Es ist der branchenweit erste weltweit verfügbare Multi-Model-Datenbank-Service, der eine horizontale Skalierung mit einer garantierten Verfügbarkeit, hohem Datendurchsatz, einer konfigurierbaren Konsistenz sowie einstelliger Millisekunden-Latenz für über 99 Prozent der Anfragen bereitstellt.

Für mich gehören auch die Preview von .NET Core 2.0 und die Ankündigungen von .NET Standard und XAML Standard zu den Highlights. Damit verfolgen wir weiter konsequent unser Ziel, unsere Entwicklungswerkzeuge plattformübergreifend zur Verfügung zu stellen. Dazu passt unbedingt, dass jetzt auch Visual Studio 2017 for Mac verfügbar ist.

Auch im Bereich Cognitive Services haben wir spannende neue Dienste für die Entwicklung von Anwendungen mit Bild-, Sprach-, Audio-, Text- und Emotionserkennung vorgestellt. Aktuell haben wir insgesamt 29 Dienste im Programm. Eines meiner absoluten Highlights ist in dem Set das neue PowerPoint-Add-in Presentation Translator zur Echtzeit-Übersetzung von Präsentationen. Es ist nicht nur nützlich, sondern zeigt beeindruckend, was künstliche Intelligenz bereit heute kann. Mit dem Start der neuen Cognitive Services Labs erhalten Entwickler zudem ab sofort Zugriff auf Services, die sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, um mit neuen Anwendungsszenarien zu experimentieren.

Last but not least, ist das Cortana Skills SDK zu nennen, das ab sofort als Preview verfügbar ist. Damit können Entwickler Cortana mit Bots aus dem Microsoft Bot Framework verbinden, um Microsofts digitale Assistentin mit neuen KI-Diensten auszustatten und in Drittanwendungen einzubauen.

CRN: Was sind aktuelle Trends in der Software-Entwicklung?

Kreuzhofer: Wir wollen dazu beitragen, dass KI-Technologien den Menschen bei der Lösung wichtiger Zukunftsfragen helfen. Dabei gehen wir über unsere eigenen Grenzen und sorgen dafür, dass auch Entwickler das tun: Mit unseren Werkzeugen können sie von jeder Plattform aus für jede Plattform entwickeln, testen und ausrollen. Microsoft ist mittlerweile das Unternehmen weltweit, das am meisten zur Open-Source-Community beisteuert – Tools, Bibliotheken und Entwicklungswerkzeuge werden auf GitHub zur Verfügung gestellt. Wir verstehen Microsofts Produkte, bspw. Azure, Office 365 oder Dynamics 365, nicht nur als Infrastrukturen und Lösungen, sondern vor allem als Plattformen, auf denen Entwickler neue intelligente Lösungen über alle Geräte und Plattformen bauen können. Microsofts Ansatz ist die Demokratisierung von IT, d.h. für jeden sollen Technologien verfügbar und nutzbar sein. Dieser strategische Aspekt in der Software-Entwicklung ist – jenseits aller faszinierender Lösungen für die Entwicklung intelligenter Anwendungen – der wichtigste Trend in der Software-Entwicklung.

CRN: Sind Scrum und Kanban noch aktuell?

Kreuzhofer: Wichtiger als die spezielle Methode finde ich das Ziel: agil zu entwickeln, neue Software funktionierend, aber schnell auszuliefern, so wie in den Prinzipien zum Agilen Manifest formuliert. Welcher Methode man am Ende folgt, um agil zu sein, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter von der Zusammensetzung und der Erfahrung der Teams. Ob sich Teams dann für das agilere Scrum oder das flexiblere Kanban-Framework entscheiden, spielt letztlich keine Rolle. Beide sind aktuell und wollen gelebt werden. Dazu gehört es, sie regelmäßig zu hinterfragen: Stimmen die Methoden noch? Leben die Entwicklerteams sie oder verfahren sie längst nach anderen Modellen? Agil sein heißt am Ende auch, reaktions- und handlungsfähig zu sein und sich zu verändern, wenn die Aufgaben es verlangen.

CRN: Welche Rolle spielt die Cloud?

Kreuzhofer: Die Cloud ist die technologische Basis jeder digitalen Transformation. Die Demokratisierung der IT hat ihren Ursprung auch in der Cloud, weil sie den Zugriff auf moderne Technologien und Plattformen von jedem Ort und jedem Gerät aus möglich und damit Technologien für Unternehmen jeder Größenordnung zugänglich macht. Unsere Werkzeuge unterstützen das Entwickeln, Testen und Ausrollen nativer Cloud-Anwendungen. Mit Cortana Intelligence Suite und der Azure IoT Suite bieten wir die Lösungen, um aus der Cloud intelligente und vernetzte Lösungen zu nutzen. Aus der Sicht von Microsoft sind eigene Rechenzentren und teure Infrastrukturen ein Auslaufmodell, weil digitale Unternehmen aus der Cloud flexibel, sicher und performant genau die Rechenleistung beziehen können, die sie benötigen. Natürlich wissen wir, dass Unternehmen – wenn sie nicht als Startups von der grünen Wiese aus ins Spiel gehen – mit gewachsenen IT-Infrastrukturen und Legacy-Anwendungen arbeiten müssen. Daher bieten wir ihnen hybride Modelle, Private Cloud-Umgebungen und Schnittstellen zwischen ihren Systemen und der Cloud an: Wir holen unsere Kunden da ab, wo sie stehen, und bringen sie in die Cloud.

CRN: Entwickeln Unternehmen nur noch die Lösungen selbst, die für eine Abgrenzung vom Wettbewerb sorgen?

Kreuzhofer: Commodity-Hardware und Standard-Software machen im Wettbewerb von Unternehmen nicht mehr den Unterschied. Zudem bietet die Cloud allen dieselbe leistungsfähige IT-Infrastruktur. Daher werden individuelle Software-Lösungen auch für solche Unternehmen immer wichtiger, die eigentlich gar keine Software-Anbieter sind. Das führt uns zu einem Trend, der die Entwicklung innovativer Lösungen massiv befördert: Software wird zum Geschäftsmodell! Wir bewerten dieses Umdenken als einen großen Fortschritt, der uns zum Beispiel im Internet der Dinge und bei künstlicher Intelligenz viele technische Innovationen bringen wird.

CRN: Werden APIs in der Software-Entwicklung immer wichtiger?

Kreuzhofer: Offenheit wird immer wichtiger! Wir wollen, das Menschen überall und mit jedem Gerät produktiv und kreativ sein können. Wir haben dafür zum Beispiel mit Produktivitätslösungen wie Office 365 oder mit unseren Entwicklungswerkzeugen längst Geräte- und Systemgrenzen gesprengt. Wir bieten unsere zentralen Lösungen Azure, Windows oder Office 365 immer weniger als fertige Produkte an, sondern als Plattformen für eigene Anwendungen und Lösungen unserer Kunden. APIs sind einer der Schlüssel dafür, denn sie bieten Entwicklern Zugang zu unseren Plattformen und ermöglichen es ihnen, unsere Technologien mit ihren Ideen zu verbinden. Offene Standards wie OPC-UA für Industrie 4.0-Lösungen als Schnittstelle für die digitale Fabrik sind ein weiterer, denn darüber lassen sich bestehende mit neuen Lösungen integrieren und erweitern.

CRN: Sind Open Source-Komponenten relevant für die Entwicklung neuer Software?

Kreuzhofer: Ohne Open-Source-Komponenten wären Softwareprojekte deutlich langsamer und kostspieliger. Daher bieten wir viele unserer Werkzeuge als Open-Source-Software an und sind aktives Mitglied vielen Open Source-Communities. Wir werden noch für viele Jahre IT-Umgebungen erleben, die sich aus Open-Source- und Markenprodukten zusammensetzen. Darüber hinaus ist uns bewusst, dass Open-Source-Komponenten Microsoft-Technologie und -Produkte ergänzen und verbessern können.

CRN: Muss ein Software-Entwickler heutzutage auf jeden Fall Javascript beherrschen?

Kreuzhofer: Gerade im Bereich der plattformübergreifenden Entwicklung hat sich Javascript als eine der relevanten Sprachen herauskristallisiert. Sowohl in der Web-Entwicklung als auch im Backend-Bereich mit Node.js ist Javascript weit verbreitet und anerkannt. Es ist also durchaus sinnvoll, sich damit zu befassen – gerade, wenn jemand über den Einstieg oder ein zweites Standbein nachdenkt. Dennoch gibt es Alternativen dazu, z.B. Ruby, Python oder .NET. Sie alle haben ihre Communities und Befürworter.

Letztlich geht es auch hier um Agilität und Flexibilität. Wir kennen viele Softwareprojekte, in denen mehrere Sprachen parallel genutzt werden – für unterschiedliche Anwendungszwecke. Es sind also zwei oder drei Standbeine sinnvoll.

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