09. Managed Services: Die Notwendigkeit neuer Sichtweisen - 09.06.2017

Noch hat sich das Outsourcen von IT-Infrastrukturen hierzulande nicht gänzlich durchgesetzt. Viele Unternehmen stehen der Cloud und Managed Services nach wie vor skeptisch, in manchen Fällen sogar offen ablehnend gegenüber. Teils ist dabei die Sorge vor Kontrollverlust ausschlaggebend, teils auch die Befürchtung, dass die jeweiligen Daten in die falschen Hände geraten könnten. Die Scheu weicht allerdings zusehends der Neugier und die Zahl der Cloud-Szenarien nimmt stetig zu – sowohl Private als auch Public. Hatten 2015 54 Prozent der deutschen Unternehmen Cloud-Dienste verschiedenster Couleur im Einsatz, waren es 2016 laut einer Bitkom-Studie schon 65 Prozent. „Die Nachfrage ist groß – Managed Services werden für unsere Kunden immer wichtiger“, erklärt Ulrich Müller, Sprecher der Geschäftsführung beim ITK-Dienstleister Operational Services. „Die meisten Unternehmen haben erkannt, dass sie viele Aufgaben guten Gewissens an einen verlässlichen Partner geben können – speziell im Infrastrukturbereich.“

Beworben werden Managed Services vor allem über ihre Skalierbarkeit sowie ihre Leistungsfähigkeit. Sie sollen Unternehmen mehr Bewegungsfreiheit und schnellere Reaktionen auf neue Gegebenheiten ermöglichen – haben darüber hinaus aber nicht nur positive Auswirkungen. „Die Abhängigkeit der Kunden von der Technik ist gestiegen“, erklärt Philip Semmelroth, Geschäftsführer des Systemhauses C&S. Die IT-Dienstleistung rangiere demnach mittlerweile auf der gleichen Ebene wie die Stromversorgung und lasse keine Fehlerakzeptanz mehr zu. Wer seine Telefonanlage als Hosted Service bezieht, der verzichtet im Falle einer Störung nur ungern über Stunden hinweg auf die Telefonie. Wenn sogar das komplette Geschäftsmodell auf einer der bereitgestellten Lösungen fußt, kann schon ein Blackout von einer Minute ein kritischer Einschnitt sein. Das soll sich wiederum auf die Beziehung von Unternehmenskunde zu Systemhauspartner oder Managed Service Provider auswirken. „Wir bekommen gesagt: es muss laufen!“, so Semmelroth im funkschau-Interview. Immerhin sei heutzutage der komplette Alltag der Menschen mit der Technik verzahnt, umso höher die Ansprüche. „Wenn ein Smartphone-Nutzer merkt, dass er offline ist, dann wird er schon kribbelig.“

Vom Techniker zum Consultant

Managed Services bedingen nicht nur eine technische, sondern darüber hinaus einen kulturellen Wandel. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von hoch performanten Lösungen nehme in den Unternehmen die Komplexität der Infrastruktur zu, was wiederum die Kommunikation zwischen der IT-Abteilung und dem Systemhauspartner beeinflusst. „Unsere technischen Kollegen müssen Aufgaben lösen, die man ihnen nicht richtig erklären kann und man muss immer stärker hinterfragen, was derKunde eigentlich erwartet“, erklärt der C&S-Geschäftsführer. „Wir müssen daher mehr und mehr beraten. Aus dem Techniker wird ein Consultant.“

Eine Transformation, mit der die Karten auf beiden Seiten komplett neu gemischt werden. In Systemhäusern sind plötzlich neue Fähigkeiten gefragt – statt technischem Tiefgang steht jetzt kommunikatives Geschick ganz oben auf der Stellenausschreibung. Und nicht immer lässt sich dieser Weg mit den bestehenden Mitarbeitern gehen. „Für viele ehemalige Techniker wird es hier keine Arbeit mehr geben“, so Semmelroth. Denn oft könnten sie zwar komplexe Aufgaben lösen, diese aber wiederum nicht erklären. Er vergleicht diese Entwicklung mit Systemgastronomie-Betrieben wie McDonalds: „Heutzutage fragt niemand mehr, wie man eigentlich einen McRip herstellt.“ Die neuen Systemhaus-Mitarbeiter sollen daher teils aus anderen Bereichen kommen als zuvor. Beispielsweise geht Semmelroth davon aus, dass sich eine ehemalige Marketing-Verantwortliche hervorragend für die neuen Herausforderungen eignen würde.

Ein Prozess, der schon längst an Fahrt gewonnen hat und von Tag zu Tag schneller voranschreitet. IT-Dienstleister müssen sich zum „Trusted Advisor“ entwickeln, wie es viele Experten empfehlen und in Hinblick auf die Zukunftssicherheit der Unternehmen fordern. Nur auf diesem Weg, so die einhellige Meinung in der Branche, lässt sich das Systemhaus-Sterben stoppen oder zumindest verlangsamen. Leichter gesagt als getan. Immerhin muss im Team neues Know-how aufgebaut, zusätzliche Soft-Skills ausgebildet werden. Für große IT-Dienstleister aufgrund der vorhandenen Ressourcen kein Problem, kleine Unternehmen mit zehn oder 20 Mitarbeitern können es sich jedoch kaum leisten, Mitarbeiter aus dem Tagesgeschäft zu nehmen, um diese zu schulen. Darüber hinaus bleibt für Semmelroth der Zweifel bestehen, ob sich jeder Techniker zu einem Berater entwickeln kann: „Wir brauchen neue Leute.“

Für Systemhäuser kann diese Entwicklung über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Obwohl viele der IT-Dienstleister aktuell noch viele ihrer Einnahmen über den Hardware-Verkauf generieren, gehen zahlreiche Marktexperten davon aus, dass diese einmaligen Umsätze auf kurz oder lang Bereitstellungsmodellen und damit monatlichen Provisionen Platz machen werden. Ein Weg, den nicht alle Unternehmen gehen können, ist sich Semmelroth sicher. „Viele Geschäftsführer mit technischem Hintergrund sind darauf nicht vorbereitet“, so der Experte im funkschau-Interview. „Die Abläufe werden immer komplexer.“ Das hätte wiederum zur Folge, dass viele Systemhäuser letztlich wegfallen oder aufgekauft würden. „Wenn man nicht absolute Spitze ist, dann wird man von den großen Systemhäusern überholt“, so Semmelroth. Er rät dazu, sich zusehends zu spezialisieren und dieses Wissen auch Mitbewerbern zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der stetig zunehmenden Komplexität ist Kooperation statt Wettbewerb gefragt.

Bündelung von Kräften

Zusammen statt gegeneinander: eine Prämisse, die im Zuge des zunehmenden Managed Service-Einsatzes auch für Systemhäuser und ihre Kunden gilt. Immerhin ist das Outsourcen von Teilen der IT-Infrastruktur auch für diese Beziehung ein kritischer Schritt. IT-Abteilungen müssen Kompetenzen aus der Hand geben und sich Zuständigkeitsbereiche mit externen Experten teilen oder diese gänzlich abgeben – ein alles andere als unproblematischer Vorgang. Das Systemhaus muss die interne IT davon überzeugen, dass die Unterstützung keine Konkurrenz und keine Gefahr für den eigenen Einflussbereich ist. Immerhin kann IT-Outsourcing im schlimmsten Fall auch bedeuten, dass im Unternehmen daraufhin Stellen abgebaut werden. Hier soll es jedoch keinen Grund zur Sorge geben, wie Roland Walther, Service Line Manager Managed Services & Support von Comparex sagt: „Im Gegensatz zum reinen Outsourcing werden bei Managed Services keine Stellen gestrichen oder ganze Abteilungen ausgelagert.“ Managed Services würden sich mit klar abgegrenzten Teilbereichen der IT auf Basis von SLAs befassen, so Walther. „Somit werden die Mitarbeiter entlastet und können sich wieder ihren eigentlichen Kernaufgaben widmen.“ Die Hoheit über die Assets und den Service liege weiterhin beim Auftraggeber.

Managed Services fordern aber nicht nur die IT-Systemhäuser zum Wandel auf. Auch die IT-Abteilungen entwickeln sich parallel zum Einsatz der externen Dienste.

„Die Aufgaben, mit denen die IT-Verantwortlichen konfrontiert werden, gestalten sich immer komplexer“, erklärt Ulrich Müller von Operational Services. Sie müssten Herr über das zunehmende Datenvolumen bleiben, strengste Sicherheitsanforderungen und zunehmende Auflagen erfüllen, fordernde Fachabteilungen möglichst rasch befriedigen und in der sich „schnell drehenden IT-Welt die Orientierung behalten. Sprich: Aus dem Technik-Schwerpunkt wird ein organisatorischer.

„In den Unternehmen entwickelt sich der Techniker zu einem IT-Koordinator“, sagt auch Philip Semmelroth. Eine Position, die neue Fähigkeiten voraussetzt und mit entsprechenden Herausforderungen einhergeht – weniger mit dem Betrieb der Infrastruktur, als vielmehr der Vermittlung zwischen den verschiedenen Bereichen sowie dem, wie der Name schon verrät, Koordinieren der internen und externen Lösungskomponenten. Je nach Zahl der eingesetzten Managed Services verschiebt sich der Schwerpunkt zwischen technischen und kommunikativen Fähigkeiten.

Darüber hinaus verändern Managed Services den Setellenwert von IT-Ressourcen in den Unternehmen teils grundlegend. „Die Hardware muss als Pauschale verstanden werden“, sagt der C&S-Geschäftsführer. Sie sei letztlich Mittel zum Zweck und hätte längst nicht mehr ihre einstige Bedeutung. „Der Fokus des CIO hat sich sukzessive weg von der Infrastrukturebene im Schichtenmodell nach oben auf die Applikationsebene bewegt“, erklärt auch Müller. Die der Applikationslandschaft zugrundeliegende Infrastruktur müsse hingegen lediglich „stückkostengünstig und stabil“ sein.

Für IT-Abteilungen und Systemhäuser entsteht eine Notwendigkeit, neue Sichtweisen zu entwickeln und die eigenen Strukturen anzupassen. Kommunikation und Koordination erhalten eine neue Gewichtung. Eine Transformation, die im Zuge der Digitalisierung Voraussetzung ist. Immerhin wird deren zunehmende Komplexität kaum im Alleingang zu bewältigen sein, besonders im deutschen Mittelstand. „Es ist einfacher, die Kunden zu bedienen, die die Notwendigkeit dieser Entwicklung erkannt haben“, erklärt Semmelroth. „Die meisten Unternehmen handeln aber erst, wenn es schmerzt.“ Zwar weiß der Systemhaus-Geschäftsführer und Managed Services-Experte aus eigener Erfahrung, dass diese Transformation eine Herausforderung für Unternehmen ist, „aber eine Herausforderung, die riesige Chancen bietet.“

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